Der Produktionskomplex der estnischen Firma Radius Machining ist nicht einfach eine Dreherei, sondern eine hochmoderne Zauberwelt, in der keine Werkzeugmaschine ohne Computersteuerung und Programmierung startet. Laut Veljo Konnimois, dem Gründer des Unternehmens, werden die vom Kunden benötigten Teile praktisch aus jedem Material hergestellt, das geschnitten oder von dem Span abgehoben werden kann, auch wenn in der letzten Zeit immer mehr auf Aluminium als Hauptmaterial zurückgegriffen wurde. Offiziell gehört Radius Machining zu den Dreh- und Frästechnikunternehmen, deren Tätigkeiten heutzutage mit dem Attribut CNC (computer numerical control) umschrieben werden. Gearbeitet wird also mit einem Schneidsystem, bei dem die Maschine nach vorgegebenen Parametern von einem rechnergestützten numerischen System gesteuert wird.
Radius Machining sieht sich dadurch in einer herausragenden Position, dass es den Mut hat, Spezialprojekte durchzuführen. „Wir konnten zu unseren Kunden noch nie ‚nein‘ sagen oder ihnen sagen, dass wir einen Auftrag nicht erfüllen können, weil es doch immer irgendwie möglich ist, das gewünschte Ergebnis zu erzielen“, sagt Konnimois. „Kurz gefasst: Unser Vorteil ist die Bereitschaft, in eine Lösung zu investieren, wenn von mehreren Kunden wiederholt Bedenken geäußert werden. Wären wir nicht dazu bereit, müsste der Kunde eine entsprechende Maschine selbst erwerben, aber bei 3–4 Kunden, die ähnliche Bedenken haben, lohnt es sich für uns, die Investition zu übernehmen.“
Schnelligkeit und Flexibilität sind auch auf dem internationalen Markt von großem Vorteil. Daher exportiert Radius Machining mehr als die Hälfte seiner Produktion über die Grenze. „Die Entscheidungskette ist bei uns sehr kurz, und für alle Bedenken und Herausforderungen findet sich schnell, bei Bedarf in wenigen Stunden, eine Lösung. All das spiegelt sich unmittelbar in unseren Lieferzeiten wider, die im internationalen Vergleich sehr kurz sind. Während große Konkurrenten auf dem Markt bis zu zwölf Wochen benötigen, um ein komplexes Produkt zu liefern, können wir dem Kunden das gewünschte Produkt in nur wenigen Wochen bereitstellen“, betont Konnimois.
Das Kundenportfolio des Unternehmens ist laut Konnimois breit gefächert. Das Spektrum reicht von Medizin bis Militär, dazwischen siedeln sich die Lebensmittelindustrie, Schwerindustrie und auch die Raumfahrtindustrie an. Konnimois hebt hervor, dass der Kundenkreis nicht bewusst auf einen bestimmten Bereich beschränkt wurde, was dem Unternehmen Stabilität verliehen hat. „Wir sind nicht von den Trends in den verschiedenen Bereichen abhängig. Das breite Spektrum gibt uns Unabhängigkeit. Spezialisierung dagegen macht die Unternehmer meiner Meinung nach ein wenig faul“, erläutert Konnimois seine Philosophie.
Zu den Großkunden von Radius Machining gehören internationale Unternehmen mit sehr hohen Qualitätsstandards wie Skeleton Technologies, Cleveron, ABB und Siemens. Einer der angesehensten Kunden im Portfolio des Unternehmens ist das zum börsennotierten japanischen Morita-Konzern gehörende Unternehmen Bronto Skylift, das die weltweit höchsten Hubrettungs- und Hubarbeitsbühnen für Feuerwehrund Wartungsunternehmen herstellt. „Bronto Skylift ist heutzutage einer unserer größten Kunden. Dass es dazu kam, setzte zehn Jahre Anstrengung voraus – sehr konsequent zu sein lohnt sich in diesem Geschäft. Ein weiterer Kunde von uns ist die Hauptniederlassung von Nordson in Deutschland, die für die Produktionslinien von Procter & Gamble verantwortlich ist.“
Im Ausland konnte Radius Machining auf den Märkten in Skandinavien, Großbritannien, Deutschland, der Schweiz und der Tschechischen Republik Fuß fassen. Während Unternehmen der Metallindustrie oft einen relativ begrenzten Aktionsradius haben, ist es Radius Machining gelungen, seinen Tätigkeitsbereich auf über 1 000 Kilometer auszudehnen, zum Beispiel mit der Lieferung feiner elektronischer Komponenten nach England oder mit Zulieferaufträgen für Unternehmen in Schweden und der Schweiz, die die Bahnindustrien dieser Märkte beliefern. „In unserer Branche spielen Empfehlungen von Kunden eine entscheidende Rolle. Auf dem finnischen Markt zum Beispiel hat uns sehr die Anerkennung von ASSA ABLOY geholfen. Das Schließtechnikunternehmen stellte uns seinen Partnern als verrückte Esten vor, die in der Lage seien, für das Unmöglichste Lösungen zu finden. Oft werden wir auch für die Bereinigung von Fehlern anderer weiterempfohlen“, hebt Konnimois hervor.
Neben seiner Rolle als Zulieferer für andere Unternehmen beteiligt sich Radius Machining auch gern an der Lancierung interessanter neuer Projekte. „Mindestens einmal im Monat tritt jemand mit der scheinbar unmöglich erscheinenden Anfrage an uns heran, Teile oder Komponenten für einen Prototyp herzustellen, der sich noch in Arbeit befindet. Es gehört zu unserem Verantwortungsgefühl, dass wir uns solcher Projekte annehmen.“ Auch wenn im Falle von estnischen Herstellern ein bis hundert Teile für die Erstellung eines Prototyps ausreichen, sollte man bei neuen Projekten auf angenehme Überraschungen gefasst sein. Eine der umfangreichsten Prototypenanfragen kam z. B. von einem Luftfahrtunternehmen, ganze Million Teile testen wollte.
Konnimois zufolge liegt die Produktionskapazität mit der von Radius verwendeten Schneidtechnologie bei monatlich 9 000 Stunden. Bei neuen interessanten Aufträgen ließe sich die Produktionsmenge mit derselben Belegschaft sofort um mindestens 50 Prozent steigern. Expansionsmöglichkeiten sind dank vorhandener Ressourcen durchaus realistisch. „Ich bin der festen Überzeugung, dass wir uns von vielen Konkurrenten auch durch unsere kompromisslose Haltung abheben, denn absolut jeden Auftrag können wir nicht annehmen. Wir sagen dem Kunden ehrlich und direkt, ob wir der Anfrage gerecht werden können oder nicht. Mit unserer Produktionsmanagement- Software können wir sicherstellen, dass Liefertermine zu 99 Prozent von uns eingehalten werden, Kunden von großem Wert ist.“
Der estnische Maschinenbausektor bewegt sich im Kielwasser der IT-Erfolgsgeschichte des Landes und lässt sich von dieser auch zu neuen Ideen und Ansätzen in seinem eigenen Bereich inspirieren. Ein solcher Trend ist laut Konnimois nirgendwo anders zu beobachten. „Bei Besuchen in Estland sind unsere Kooperationspartner immer überrascht, dass unsere Wände weiß und die Böden sauber sind. Die Industrie hat in Estland sehr viel Kultur, setzt auf Hochtechnologie und trägt darüber hinaus auch Sorge für die Umwelt. Das alles tun wir, damit sich unsere Mitarbeiter bei uns wohlfühlen. Wir müssen einfach attraktiv sein, weil wir sonst unsere klügsten Köpfe an Start-ups und andere Technologieunternehmen verlieren. Um Nachwuchs hervorzubringen, ist es für uns äußerst wichtig, mit Schulen zusammenzuarbeiten und die Schüler zu motivieren, auch mal über den Bereich Maschinenbau nachzudenken, in dem gerade eine neue industrielle Revolution stattfindet“, betont Konnimois.
Laut Konnimois wird Estland von den Kunden auch als Geschäftsreiseziel geschätzt. „Was wir zu bieten haben, ist eine unberührte Natur und eine moderne IT-Umgebung. Die ausländischen Kunden kommen nach Estland, treffen Geschäftsleute, die keine Zeit zu verlieren haben, und dürfen danach die Natur und Ruhe genießen“, schmunzelt Konnimois. Das gesamte Unternehmertum in Estland bewegt sich in Richtung Digitalisierung. Dabei sind die Erfahrungen mit dem estnischem E-Government sehr hilfreich. Die meisten der hier ansässigen Unternehmen begannen ihre Geschäftstätigkeit erst Anfang der 90er Jahre und entwickelten sich viel schneller als ausländische Unternehmen, indem sie mehrere Stufen der Entwicklung übersprangen. Vor den Mitarbeitern Respekt zu haben, ist für Unternehmen selbstverständlich. Estland liegt in Bezug auf die Wahrscheinlichkeit eines Streiks am unteren Ende der Weltrangliste. „Bei uns treten keine Fälle höherer Gewalt ein, wir haben keine langen Sommerferien und die Arbeit wird ununterbrochen durchgeführt. Wir kommunizieren offen und intensiv mit unseren Partnern, investieren kontinuierlich in die Produktentwicklung und lernen durch die Entwicklung von Prototypen auch selbst dazu. Deshalb glaube ich, dass Estland das Potenzial hat, in der Zukunft ein wichtiger Industrieknotenpunkt zwischen Skandinavien und Mitteleuropa zu sein“, sagt Konnimois überzeugt.
Wie ist es, mit Estland Handel zu treiben? Wie kann man von den E-Lösungen und der Effizienz der estnischen Unternehmenskultur profitieren? Welche Chancen bieten die einzelnen Branchen?
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