Der industrielle Einsatz von Robotern ist schon lange nicht mehr nur ein Wettbewerbsvorteil für große Unternehmen. Auch immer mehr kleinere Hersteller investieren in die Robotisierung und Automatisierung von Arbeitsprozessen. Aber was passiert in diesem Fall mit der menschlichen Arbeitskraft? Martin Sutrop, Geschäftsführer von Tech Group, einem estnischen Unternehmen, das Robotisierungslösungen für die Industrie entwickelt, ist der Ansicht, dass der Zweck der Automatisierung nicht darin besteht, den Menschen die Arbeit wegzunehmen, sondern vielmehr die Arbeitskraft für intelligentere Tätigkeiten einzusetzen. „Arbeit, die für Menschen geeignet ist, sollte effizient und mit möglichst wenig sinnlosen Bewegungen verbunden sein, die genauso gut oder sogar besser von Maschinen ausgeführt werden können“, erklärt Sutrop.
Tech Group arbeitet parallel in zwei verschiedenen Bereichen: Zum einen entwickelt das Unternehmen maßgeschneiderte Produktionsautomatisierungslösungen für Endkunden, zum anderen bietet es Technologiepartnern seine Entwicklungs- und Produktionskapazitäten in Segmenten an, in denen es für den Kunden nicht sinnvoll ist, selbst die entsprechende Kompetenz oder Produktion zu entwickeln. Die Bereiche Robotisierung und Automatisierung sind ihrem Wesen nach einfach und weit verbreitet: Der Kunde wendet sich an einen Dienstleister mit dem Wunsch, einige Schritte der Produktion mithilfe intelligenter Maschinen effektiver zu gestalten. Von Ingenieuren wird eine auf den Kunden zugeschnittene Lösung entwickelt. Anschließend wird die benötigte Maschine angefertigt und in der Produktionsstätte des Kunden eingerichtet.
Während der Wettbewerb für Robotiklösungen weltweit sehr intensiv ist, fühlt sich Tech Group als nahezu als einziger Dienstleister auf dem Markt, wenn es um die Bereitstellung von Entwicklungs- und Fertigungsressourcen für Technologieunternehmen geht. „Gerade aus diesem Segment stammt der größte Teil des Umsatzes, den wir in Deutschland generieren. So pflegen wir eine hervorragende Zusammenarbeit mit einem deutschen Hersteller von Montage- und Testautomatisierungslösungen für die Photonikindustrie, dem wir bei der Entwicklung und Produktion von Montage- und Testlösungen für verschiedene Photonikkomponenten helfen“, erläutert Sutrop.
Technologie schreitet heutzutage in einem rasanten Tempo voran. Um dabei wettbewerbsfähig zu bleiben, muss jedes Technologieunternehmen daran arbeiten, die Technologien seines Hauptgeschäftsbereichs weiterzuentwickeln. Viele Unternehmen haben oft kein Interesse daran, ihre Engineering- und/oder Fertigungskompetenz zu erweitern, da dieses von ihrem Kerngeschäft ablenken würde. Solche Technologieunternehmen wenden sich dann an Tech Group, damit aus ihrer Idee ein reales und funktionsfähiges Gerät wird. „Wir unterstützen unsere Kunden bei der werkzeugtechnischen Auslegung und der Herstellung von Geräten, damit sie sich ganz auf die Entwicklung und den Verkauf der Technologie ihres Hauptgeschäftsbereichs konzentrieren können.“
Die Kooperationsmodelle variieren je nach Kunde. Einige Kunden zeichnen sich durch außergewöhnliche Offenheit und den Wunsch aus, so viel Unterstützung von außen wie möglich in Anspruch zu nehmen, während sich bei anderen Kunden die Zusammenarbeit auf die Herstellung einiger Teilmodule eines Geräts beschränken kann. Sutrop ist überzeugt, dass es keinen anderen Dienstleister auf dem Markt gibt, der über vergleichbares Engineering- Know-how und solch einzigartige Erfahrung verfügt. „Es gibt viele Zulieferer, die ganz genaue Spezifikationsvorlagen (build-to-print) verlangen, auf deren Basis sie das benötigte Gerät herstellen, ohne selbst noch etwas hinzuzufügen. Dank der Expertise unserer Ingenieure können wir erheblich mehr anbieten – von der Auslegung des Geräts über das Testen bis hin zur Formulierung von Reparaturvorschlägen.“
Obwohl die Größe von Kooperationsprojekten von Kunde zu Kunde erheblich variieren kann, hat Tech Group bewusst auf Produktionsvolumina verzichtet, die einer Massenproduktion gleichkommen. „Auch wenn unser Jahresumsatz mehrere Millionen Euro beträgt, haben wir uns in einer Nische positioniert, in der wir Einzelgeräte und Kleinserienmengen herstellen. Auf diesem Markt füllt Tech Group die Lücke, die zwischen Herstellern von Großserien und Zulieferern ohne Engineering-Kompetenz entstanden ist. Daher haben wir, zumindest in Europa, nicht viele Wettbewerber, die sich gleichzeitig sowohl mit Prototypen als auch mit Serienprodukten befassen“, erläutert Sutrop.
Wenn der Kunde bereit ist, Entwicklungsdienstleistungen an externe Partner auszulagern, anstatt eigene Kompetenz zu entwickeln, ist dies ein Zeichen für großes Vertrauen. Die Wettbewerbsvorteile von Tech Group liegen in der einzigartigen technischen Kompetenz, in den guten Referenzen für bereits durchgeführte Arbeiten und in dem hohen Know-how-Niveau. Auf dem globalen Markt stehen wir im Wettbewerb mit Unternehmen, die auf bestimmte Sektoren spezialisiert sind, z. B. mit Entwicklern für Produktionslinien der Lebensindustrie. „Da wir keinen branchenspezifischen Fokus haben, verfügen wir über einen viel breiteren Überblick hinsichtlich verschiedener Möglichkeiten und Kundenbedürfnisse. Anstelle von Standardlösungen bieten wir für jeden Kunden eine maßgeschneiderte Lösung an, da die Anforderungen immer – manchmal mehr, manchmal weniger – variieren.“
Sutrop zufolge arbeiten die deutschen Kunden gern mit Esten zusammen, weil diese intelligent handeln und flexibel denken. „Esten finden Lösungen und packen eine Sache an, anstatt sich Gründe dafür auszudenken, warum etwas nicht gemacht werden darf oder nicht möglich ist. Diese Einstellung fördern wir auch bei unseren Mitarbeitern, denn wenn es dem Kunden gut geht, ist das für uns ein Erfolg. Das Technologiegeschäft, in dem sich ständig alles ändert und sich nicht alle Entwicklungen leicht verfolgen lassen, ist vom Charakter her recht stressintensiv. Wir verstehen jedoch, dass dies das Geschäft ist, in dem wir zu Hause sind, und dieses zu wissen, ist der Schlüssel zum Erfolg. Glücklicherweise sind Esten sehr anpassungsfähig und bereit, früh neue Technologien einzuführen“, sagt Sutrop.
Zu den Kunden von Tech Group zählen Telekommunikationsunternehmen, Photonikhersteller und Anwender anderer hochpräziser Produktionsanlagen. Die größten Märkte des Unternehmens sind Deutschland, Finnland, Schweden, England und die Schweiz. In dem schnell wachsenden Geschäft muss man, um einen Vertragsabschluss zu erzielen, Flexibilität beweisen, das Geschäft des Kunden verstehen und sofortige Lösungen finden. In zwei Jahren hat Tech Group seinen Umsatz verdoppelt. Heute erreicht das Unternehmen einen Umsatz von fast 20 Millionen Euro. Sutrop hat keine Angst vor Produktionsengpässen, die aufgrund des gesteigerten Volumens entstehen können. „Wir sind ein kleines Land und können nicht alles selbst machen. Deshalb greifen wir auch auf viele andere estnische Unternehmen zurück, z. B. als Zulieferer für Elektronik oder bestimmte Bauteile. Unser Kooperationsnetzwerk funktioniert einwandfrei. Eine potenzielle Volumensteigerung könnte durch die Einbeziehung vieler lokaler Unternehmen abgefedert werden.“
Estland ist aufgrund seines Rufs als digitales Musterland, aber auch dank solider Zusammenarbeit, bei den Kunden von Tech Group bekannt. „Angesichts der Profile unserer Kunden können wir scherzhaft sagen, dass Schweizer Präzision, finnisches Engineering- Know-how und deutsche Qualität bei estnischen Zulieferern gekauft wird“, schmunzelt Sutrop. Die hohe Wertschätzung, die Esten genießen, zeigt sich auch darin, dass es Tech Group kürzlich gelungen ist, von einem internationalen Industrieautomationskonzern einen Auftrag für eine automatisierte Montage- und Testlösung zu bekommen. Bei der Ausschreibung musste sich Tech Group gegen die eigene Projektentwicklungseinheit des Konzerns behaupten. „Anstatt das Geld von einem Topf in den anderen zu stecken, ließ der Kunde die für das Entwicklungsprojekt veranschlagten Gelder nach Estland fließen, da wir in der Lage sind, uns einer Problemstellung und deren Lösung aus einem anderen, mitunter sogar unerwarteten Blickwinkel zu nähern.“
Geschäfte mit Europäern zu machen ist für Esten einfach, weil der kulturelle Raum und die Werte sehr ähnlich sind, und vor allem, weil man weiß, dass das, was versprochen ist, auch gehalten wird. Innerhalb Europas sind die Lieferzeiten für Bestellungen aus Estland aufgrund der geografischen Nähe des Landes relativ kurz. „Wir sind flexibel, wenn nicht sogar entgegenkommend. Dies mag bisweilen auch daran liegen, dass wir hungriger auf Arbeit sind als andere. Wir haben motivierte Mitarbeiter, deren Fokus auf dem Ergebnis und weniger auf dem Prozess liegt, und die gern auch mal nach 17 Uhr eine Sache zu Ende führen“, beschreibt Sutrop die Arbeitsdisziplin der Esten. „Wir müssen dem Kunden einen solchen Mehrwert bieten, dass ihm nicht einmal in den Sinn kommt, den Kooperationspartner zu wechseln. Wir gehen mit unseren Partnern eine langjährige vertrauenswürdige Kooperationsbeziehung ein, damit sich diese auf ihr Kerngeschäft konzentrieren können. Im Wesentlichen unterstützen wir mit unserer Arbeit die Technologieunternehmen in ihren Bemühungen, die Weltmärkte zu erschließen“, glaubt Sutrop.
Wie ist es, mit Estland Handel zu treiben? Wie kann man von den E-Lösungen und der Effizienz der estnischen Unternehmenskultur profitieren? Welche Chancen bieten die einzelnen Branchen?
Das Team der Estonian Trade Development Agency bietet Ihnen gern über den kostenlosen E-Consulting-Service seine Hilfe an.