Im August besuchte der deutsche Holzbauexperte Sören Glöckner, Geschäftsführer der Holzbau Kompetenz Sachsen GmbH, Estland. Er nahm an einer von der Estnischen Agentur für Unternehmertum und Innovation (Enterprise Estonia, EIS) organisierten Pressereise für deutsche Journalisten teil, deren Ziel es war, den estnischen Holzsektor vorzustellen. Nach seinem Besuch teilte Glöckner seine Beobachtungen und Gedanken zu den Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen der estnischen und der deutschen Bau- und Holzindustrie mit.
Laut Glöckner hinterließ die estnische Holzindustrie einen sehr starken Gesamteindruck. „Ich war überrascht von den großen Produktionskapazitäten und der breiten, vielfältigen Produktpalette“, erklärt er. „Es war offensichtlich, dass das ingenieurtechnische Denken und die architektonische Qualität in Estland auf einem sehr hohen Niveau sind.“
Überrascht von hohem Niveau und breiter Produktpalette
Besonders beeindruckt war er von dem Familienunternehmen Arcwood, dessen Entwicklung und familienbasiertes Führungsmodell seiner Meinung nach Bewunderung verdienen. „Arcwoods Werdegang ist beeindruckend – das Unternehmen ist Schritt für Schritt gewachsen und hat es geschafft, die ganze Familie einzubeziehen. Eine solche Kontinuität ist selten“, sagt er.
Als besonders innovativ hob Glöckner die konstruktiven Details der Pelgulinna-Schule und des Tallinner Naturhauses hervor. „Dies zeigt, wie klug und kreativ die Holzbauweise in Estland weiterentwickelt wurde. Ähnliche Lösungen würde ich mir auch für Deutschland wünschen“, so Glöckner.
Seiner Meinung nach liegt die Stärke Estlands im Bereich des modularen und digitalisierten Holzbauwesens. Gleichzeitig sieht er auch folgende Entwicklungstrends.
„Ein weiterer Schritt könnte die stärkere Umsetzung der Kreislaufwirtschaftsprinzipien sein – insbesondere die Verbesserung der Wiederverwendung und Wiederaufbereitung von Bauelementen.“
Estland und Deutschland: ähnliche Kompetenzen, unterschiedliche Märkte
Obwohl Estland und Deutschland in Bezug auf das technische Niveau der Holzbauweise vergleichbar sind, weist Glöckner auf einen wesentlichen Unterschied zwischen den Märkten hin. „Estnische Unternehmen arbeiten ähnlich wie deutsche Holzbauunternehmen, exportieren jedoch etwa 95 % ihrer Produktion“, erläutert er.
In Sachsen sieht die Situation etwas anders aus. „Deutsche Unternehmen sind dagegen überwiegend auf ihrem Binnenmarkt tätig. In Sachsen gibt es beispielsweise nur wenige Holzbauunternehmen, dafür wollen aber mehrere mittelständische Bauunternehmen in den Holzbau einsteigen. Genau hier sehe ich hervorragende Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit mit estnischen Unternehmen“, ergänzt er.
Estnische Lösungen erfüllen die Anforderungen des deutschen Wohnungsbaus
Estnische Unternehmen wie Harmet und Kodumaja haben laut Glöckner ein großes Potenzial auf dem deutschen Markt für den Wohnungsbau in Städten.
„In Deutschland ist geplant, in naher Zukunft die technischen Anforderungen an den Wohnungsbau zu vereinfachen, um einen umfangreichen und erschwinglichen Wohnungsbau zu fördern“, erklärt er. „Dies schafft einen großen Markt für mehrstöckige Wohngebäude – und gerade in solchen Projekten sind estnische Unternehmen sehr erfahren.“
Außerdem erwähnte er EstNor und Matek, die in Deutschland bereits bekannte, aber hinsichtlich der Nachfrage wachsende hybride und mehrstöckige Lösungen vorstellten.
Als Stärke von Arcwood sieht er den ganzheitlichen Ansatz: „Arcwood bietet nicht nur CLT- und Leimholzkonstruktionen, sondern auch ingenieurtechnische Unterstützung. Die Zahl solcher Projekte in Deutschland wird sicherlich zunehmen“, glaubt Glöckner.
Der deutsche Markt bietet Möglichkeiten zur Zusammenarbeit
Glöckner ist überzeugt, dass estnische Unternehmen in Deutschland viele Chancen haben. „Unternehmen wie Matek, Arcwood, Harmet und Kodumaja könnten über uns Kooperationspartner finden, um den deutschen Markt besser bedienen zu können“, sagt er.
Seiner Einschätzung nach kennen viele estnische Unternehmen die Besonderheiten und Hindernisse des deutschen Marktes bereits gut: „Sie sind sich dieser Barrieren bewusst und verstehen, was der deutsche Markt erwartet.“
Als eine wichtige Chance sieht er auch das wachsende Volumen des mehrstöckigen Holzbauwesens in Deutschland. „Die steigende Nachfrage führt zu einem Mangel an Produktionskapazitäten. Estnische Unternehmen können hier die notwendige Unterstützung bieten und den Wettbewerb verstärken“, merkt er an.
Design und Kreislaufwirtschaft gewinnen in Deutschland an Bedeutung
Laut Glöckner werden designorientierte Lösungen, wie beispielsweise der Iglupark, in Deutschland immer beliebter. „Ähnliche Lösungen sehen wir im Bereich der Tiny Houses, jedoch steht der Iglupark für einen ganzheitlichen architektonischen Ansatz. Deutschland ist ein sehr geeigneter Markt für solche Konzepte“, so Glöckner.
Auch das Musterhaus-System des Elektrilevi-Schulungszentrums, das auf den Prinzipien der Kreislaufwirtschaft basiert, ist seiner Meinung nach für Deutschland hoch relevant. „Auch bei uns gibt es bereits mehrere Pilot- und Forschungsprojekte zu diesem Thema“, ergänzt er.
Zukunft: Zusammenarbeit und gemeinsame Investitionen
Laut Glöckner sind Zusammenarbeit und strategische Partnerschaften die Schlüsselwörter für estnische Unternehmen. „Ich würde empfehlen, gemeinsam mit lokalen Partnern, insbesondere aus Sachsen, in den deutschen Markt einzutreten. Zusammenarbeit und in Zukunft auch gemeinsame Investitionen könnten Ihren Unternehmen neue Möglichkeiten eröffnen“, erklärt er.
Abschließend betont er, dass die Stärke Estlands in der Fähigkeit liege, Tradition und Innovation zu verbinden.
„Estland zeigt, wie natürliche Ressourcen intelligent und verantwortungsbewusst genutzt werden können. Es ist ein Vorbild dafür, wie man mit Holz die Zukunft gestalten kann – sowohl in der Architektur als auch in der Produktion und Stadtplanung“, so der deutsche Holzexperte Sören Glöckner.
HINTERGRUND
- Sören Glöckner ist Geschäftsführer des in Sachsen ansässigen Unternehmens Holzbau Kompetenz Sachsen GmbH.
- Das Unternehmen befasst sich mit der Weiterentwicklung von Kompetenzen im Holzbau, der Koordination von Forschungs- und Ausbildungsprojekten sowie der Förderung der internationalen Zusammenarbeit.
- Ziel der Organisation ist es, das Wissen und die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen in Sachsen und anderen europäischen Regionen im Bereich des nachhaltigen und modernen Holzbaus zu stärken.
Gefördert durch die Europäische Union – NextGenerationEU.
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