Estland ist das erste vollständig digitale Land, das ab Dezember 2024 alle öffentlichen Dienste online anbietet, einschließlich der Einreichung von Scheidungen. Dieser Erfolg basiert auf zentralen Prinzipien wie Dezentralisierung, sicherem Datenaustausch und universeller digitaler Identität. Estlands Erfolgsgeschichte ist ein überzeugendes Vorbild für andere Länder.
Jana Silaškova, Leiterin der Internationalisierung beim estnischen IKT-Cluster, erläutert die wichtigsten Treiber der digitalen Transformation Estlands:
Estland ist international für seine digitale Verwaltungsinfrastruktur bekannt. Welche Grundprinzipien oder Entscheidungen haben diesen Erfolg möglich gemacht und wie leiten sie die Kampagne „100 % digital“?
Die zentralen Grundlagen der estnischen E-Governance sind Dezentralisierung, sicherer Datenaustausch zwischen allen Systemelementen und Datenintegrität, digitale Identifikation und Signatur, das Once-Only-Prinzip sowie Transparenz, die Vertrauen schafft. Und natürlich braucht es den politischen Willen, all diese Prinzipien umzusetzen, sowie den Aufbau digitaler Kompetenzen, um die Nutzung digitaler Dienste in allen gesellschaftlichen Bereichen zu maximieren.
Diese Prinzipien, kombiniert mit dem politischen Willen, haben es ermöglicht, dass heute 100 % der öffentlichen Dienstleistungen in Estland online verfügbar sind, ein Maßstab, an dem sich andere Länder orientieren können.
„Ein aktuelles Beispiel ist der Aufbau eines digitalen 24/7-Unternehmensregisters durch das estnische IT-Unternehmen Nortal in Oman. Dort wurde ein Weltrekord aufgestellt: die schnellste Unternehmensregistrierung gelang in nur 1 Minute und 6 Sekunden.“
Jana Silaškova, Leiterin der Internationalisierung beim estnischen IKT-Cluster
Aus Ihrer Sicht: Was sind die dringendsten Herausforderungen, denen sich die deutsche Regierung bei der Digitalisierung öffentlicher Dienstleistungen stellen muss und was könnte sie aus Estlands Ansatz lernen?
Ein großer Unterschied zwischen der estnischen und der deutschen Digitalisierungsstrategie liegt in der Größe der Länder und dem Grad der föderalen Struktur. Eine Empfehlung wäre, zunächst auf regionaler Ebene Pilotprojekte zu starten und diese dann auf überregionale und bundesweite Ebene auszudehnen. Dabei sollte sichergestellt werden, dass digitale Grundvoraussetzungen wie digitale Identifikation und sicherer Datenaustausch ebenen- und sektorenübergreifend genutzt werden.
Wie unterstützen estnische IT-Unternehmen die Innovation im öffentlichen Sektor? Können Sie aktuelle Beispiele für die Zusammenarbeit zwischen estnischen Tech-Unternehmen und staatlichen Institutionen nennen?
Das E-Estonia-Ökosystem wurde in enger Partnerschaft zwischen Regierung und Privatwirtschaft aufgebaut. Estnische Tech-Unternehmen arbeiten unter dem Dach der ITL (Estonian Association of Information Technology and Telecommunications) mit der Regierung, von der strategischen Ebene über die Beratung bis hin zur Entwicklung konkreter Lösungen. Ein aktuelles Beispiel ist der Aufbau eines digitalen 24/7-Unternehmensregisters durch das estnische IT-Unternehmen Nortal in Oman. Dort wurde ein Weltrekord aufgestellt: die schnellste Unternehmensregistrierung gelang in nur 1 Minute und 6 Sekunden.
„Digitale Signaturen sparen Estland jährlich 2 % des BIP. Eine Steuererklärung kann von Bürgern in etwa 3 Minuten abgegeben werden.“
Jana Silaškova, Leiterin der Internationalisierung beim estnischen IKT-Cluster
Welche messbaren Auswirkungen hat die digitale Verwaltung Estlands auf Bürger, Unternehmen und den Staatshaushalt?
Digitale Signaturen sparen Estland jährlich 2 % des BIP. Eine Steuererklärung kann von Bürgern in etwa 3 Minuten abgegeben werden. Durch die einfache Unternehmensgründung in einem digitalisierten Land und das innovationsfreundliche digitale Ökosystem ist Estland in Europa führend bei der Anzahl an Unicorns pro Kopf.
Was wäre Ihre Botschaft an politische und administrative Entscheidungsträger:innen in Deutschland, die bei der Umsetzung digitaler Verwaltungsreformen noch zögern oder langsam vorankommen?
Die Vorteile der Digitalisierung sind klar und greifbar – sie trägt nicht nur dazu bei, Vertrauen zwischen allen Beteiligten, insbesondere den Bürgern, aufzubauen, sondern kann auch ein Motor für das BIP-Wachstum sein. Angesichts globaler Entwicklungen und einer digital aufgewachsenen Generation ist sie der einzig zukunftsfähige Weg.
Wer heute nicht digitalisiert, wird morgen das Vertrauen der Bürger und seine Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Estlands Beispiel zeigt: Mit einer klaren Vision und mutigen Entscheidungen ist echter Fortschritt möglich.
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